Da ist der Wurm drin

9:39 Uhr – Home-Office und Kurzarbeit bringt die Menschheit ja dazu, im häuslichen Bereich besonders kreativ und fleißig zu werden. Da wird geputzt und renoviert, gestrichen und ausgebaut, gestrickt und genäht. Gärten werden zu Plantagen, Balkone zu Urlaubsdestinationen und Curry-King-Käufer zu Bio-Großbauern. Meine Projekte sind bisher eher überschaubar: Ich habe einer Gartenbank neue, rot angemalte Bretter verpasst.

Aber auch auf meinem Balkon geht es ab, aber das packt mich ja in jedem Frühjahr. Der Hopfen ist schon wieder ein paar Meter hoch, es gedeihen Chilis, Liebstöckel, Rucola, Koriander, Erdbeeren, Knoblauch, Schnittlauch, Rosmarin, Thymian, Basilikum, Pfefferminze, Mojito-Minze, Colada-Kraut und erstmals ein kleiner Strauch Heidelbeeren. Auf die Gerste verzichte ich in diesem Jahr, in den Blumenkästen wächst jetzt eine Blumenwiese. In einem Kasten züchte ich feinsten englischen Wembleyrasen.

Eine Neuerung gibt es aber doch, die mit der Corona-Freizeit zu tun hat: Ich habe mir endlich eine Wurmkiste gebaut! Das ist eine Holzkiste, in der kleine Würmer wohnen, deren Lieblingsbeschäftigung neben der Fortpflanzung das tägliche Fressen und Verdauen ihres eigenen Körpergewichts ist. Man füttert sie also mit Gemüse- und Obstresten, Salat, Blättern, Rasenschnitt, Kaffeesatz und Teebeuteln – und die Kleinen machen daraus allerbesten Dünger für den Garten. Das mit dem Up-Cycling ist ja auch ganz schön.

Ich habe mir die Box aber nicht hergetan, weil ich so gerne Würmer auf dem Balkon habe und unbedingt kostenlosen Dünger brauche. Mich hat schon lange mein Umgang mit meinem Biomüll gestört. In meinem Haus gibt es eine große Bio-Tonne, die alle Bewohner füllen dürfen. Die steht aber im Keller und man muss alles schön in Zeitung oder Papiertüten verpackt da rein tun. Das macht man für drei Kartoffelschalen, einen Mangokern oder eine Zwiebelschale einfach nicht. Und den Kompost in meiner Küche sammeln und immer in den Keller zu bringen, wenn der Behälter voll ist, hielten nur die Fruchtfliegen für eine gute Idee. Also habe ich Biomüll nur in den Keller gebracht, wenn mal richtig viel angefallen ist. Die Kleinmengen sind immer in den Hausmüll gewandert. Das ist nicht so schlimm, da ich meinen Hausmüll ja auch irgendwie füllen muss, aber irgendwie nicht richtig. Darum jetzt die Wurmbox.

Am Donnerstag sind die Kompostwürmer eingezogen, die ich in einem Angelfachmarkt vor dem sicheren Ködertod gerettet habe. Bisher verhalten sie sich noch recht unauffällig, aber ich lass sie jetzt mal ein paar Tage in Ruhe. Nach vermutlich mehreren Wochen in einer kleinen Plastikdose muss man sich an so eine neue Luxusvilla ja auch erst mal gewöhnen.

Cholula mi Amor

20:46 Uhr – Ein Abend um in Erinnerungen zu schwelgen. Erinnerungen an den letzten Dezember, als ich für einige Tage das mexikanische Städtchen Cholula besucht habe. Cholula (von der Autokorrektur gerne zu Cholera verbessert) ist ein Vorort von Puebla (berühmt für das VW-Werk), liegt fast im Speckgürtel von Mexiko-Stadt und direkt am Fuße der Vulkane Popocatepetl und Itzaccihuatl. Bekannt ist es für eine prähispanische Pyramide, auf die die Spanier, in der Annahme, dass es sich um einen Hügel handelt, eine Kirche gebaut haben. Ich habe den Ort ein bisschen wegen dieser Pyramide besucht. Vor allem aber, weil ich mich schon vorher in die Brauerei Cholula (ja, sie heißt gleich wie der Ort) verliebt hatte. Ich kannte das Bier nicht, aber das Flaschendesign hat mich schon in Deutschland neugierig gemacht.

Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Der Ausblick von der Pyramide ist zauberhaft, die Lage direkt an einem qualmenden Vulkan beeindruckend, das Städtchen mit seinen zwei Zentren lebhaft und bei allem Tourismus doch authentisch. Vor allem aber ist die Brauerei noch schöner als die Flaschen. Ein luftiges, gelb gestrichenes Gemäuer, das eindeutig auf schönes Wetter ausgelegt ist. Es umrundet zu drei Seiten einen Innenhof, auf dem frisches, grünes Gras unter Holztischen und -bänken wächst. Auch die Terrasse ist auf Sonne ausgelegt und spendet Schatten. Sie grenzt an einen Tresen, der von allen vier Seiten zugänglich ist. In einer Ecke befindet sich die Küche, in der Kleinigkeiten bereitet werden, auf der anderen Seite die wirklich sehr, sehr kleine Brauerei an sich. Nur wenige Tische befinden sich in einem geschlossenen Raum. Wie gesagt: Schönwetter-Location. Gekrönt wird das ganze von unzähligen bunten Dreiecksfähnchen, die überall im lauen Lüftchen wehen. Wunderschön und wunderschön mexikanisch.

Mein Hotel war glücklicherweise nur 5 Fußminuten von der Brauerei entfernt. Bei meinem ersten Besuch habe ich mich noch inkognito herangepirscht, mich mit kleinen Probegläschen einmal durchs Sortiment probiert: In Mexiko ein Kölsch zu brauen muss nicht sein, das braucht ja in Köln schon kein Mensch. Das Pale Ale und das IPA waren ordentlich, das Stout nicht so mein Fall. Das fünfte Bier habe ich vergessen, vermutlich war es ein Lager oder sowas. Mein absoluter Favorit war ein Golden Ale namens Vagabondo. Ein schmackhaftes Sommerbier mit Weizen- und Gerstenmalz.

Mein zweiter Besuch war dann die Brauereiführung. Kurz vorher wurde ich benachrichtigt, dass die Führung dieses Mal keinen Eintritt kosten würde, weil gerade gebraut wird. Ich persönlich finde ja eine Brauereiführung wertiger, wenn gerade gebraut wird. Andere Länder, andere Sitten. Schön war dann auch, dass ich der einzige Teilnehmer dieser Führung war. Ich wurde von der jungen Braumeisterin in Empfang genommen, verdonnert ein Bier zu bestellen (Vagabondo) und dann dem diensthabenden jungen Braumeister übergeben. Die Brauerei war schnell gezeigt, denn sie ist wirklich extrem klein, so 15 auf 5 Meter, und extrem rudimentär. Flaschen werden noch von Hand gespült und abgefüllt, nur so als Beispiel. Also blieb mehr Zeit für eine Unterhaltung unter Bierfreunden. Und für ein weiteres Vagabondo. Irgendwann kamen wir auf das wirklich extrem coole Design der Flaschen zu sprechen, ich habe erfahren, dass nur das Pale Ale und das Stout in Flaschen abgefüllt werden, alles andere gibt es nur vom Fass. Etwas traurig, dass ich kein Vagabondo mit nach Deutschland nehmen kann, habe ich mich nach dem Kauf einer Flasche Pale Ale (das sind die hübschen, mir schon vorher bekannten Flaschen) erkundigt. Leider war nur noch genau ein Karton davon da, also so 10 Flaschen oder so. Und da meinte der Brauer, dass er den nur voll an einen Kunden verkaufen können, aber nicht mehr, wenn eine Flasche fehlt. Also kein Pale Ale für mich. Stattdessen habe ich ich Stout bekommen. Das wollte ich gar nicht so unbedingt haben, aber nach einer kostenlosen Brauereiführung hielt ich es für höflich, dieses Angebot anzunehmen. Immerhin eine Erinnerung an einen Sehnsuchtsort.

Diese Flasche steht nun in feierlichster Art vor mir. Es ist ein besonderer Moment.

Die Flasche verrät auf den ersten Blick nicht wirklich, wie das Bier heißt, oder was für ein Bier es ist. Sehr klein und verschnörkelt kann man aber entdecken, dass es sich um ein Oatmeal Stout handelt, also ein Stout mit Hafer. Das Etikett gefällt mir gut, weil es mich eben sehr an diesen wunderbaren Ort erinnert. Das Etikett ist genau genommen gar kein Etikett, weil die Flasche direkt bedruckt ist, und der Druck zeigt die Fassade des Brauereigebäudes: Eine gelbe Wand mit rotem Sockel, auf der groß das Logo der Brauerei prangt. Rechts davon ist ein Fahrrad an die Wand gemalt, das von einem Storchen geradelt wird. Links vom Logo führt ein Torbogen ins Gebäude, vor dem Torbogen liegt ein Hund. Er beobachtet eine Taube, die auf dem gepflasterten Vorplatz nach Malzkörnern pickt. Ganz rechts sitzt unter einer historischen Straßenlaterne ein Hahn, der seinen Blick ebenfalls auf die Taube richtet. Vor dem Haus steht eine kleine Bank, neben ihr zwei Flaschen Bier. Auf dem angedeuteten Dach sitzen drei weitere Tauben.

Das Bier ist im Glas schwarz und lichtundurchlässig wie die dunkelste mexikanische Nacht. Man meint der Flüssigkeit eine gewissen Cremigkeit schon anzusehen. Der feste und großzügige Schaum ist von brauner, cappucinofarbener Färbung und hält sich ewig. Das Bier sieht deutlich mächtiger aus, als seine 5,8 Prozent Alkohol erwarten lassen.

In die Nase strömen schwere Aromen von geröstetem, dunklen Malz, herber Schokolade und gesüßtem Kaffee. Im Mund überrascht dann ein recht süßes Getränk mit säuerlichem Nebengeschmack. So richtig kann ich das im Moment gar nicht einordnen, nach was das schmeckt. Nach altbekanntem Bier eher nicht, aber das ist bei einem Stout ja nicht ungewöhnlich. Um an Kaffee zu erinnern fehlen die Röstaromen und vor allem die Bittere. Am Ehesten erkenne ich hier Schokolade, und zwar diese Schokolade mit den ganzen Trauben drin. Das erklärt auch diese Mischung aus Süße und fruchtiger Säure. Mir ist diese Kombination viel zu aufdringlich und etwas zu modrig. Oder es fehlt noch irgendein Geschmack, der sich gut damit ergänzt. Vom Mundgefühl ist das Bier aber perfekt: In der Tat ist es beinahe cremig, extrem vollmundig – fast schon ein Likörchen.

Wie eingangs geschrieben: Das Stout war schon in Cholula nicht mein Liebling. Die Hoffnung, dass es im kalten Deutschland plötzlich überragend schmeckt, hat sich leider nicht erfüllt. Dennoch bin ich froh, dass ich dieses Fläschchen gekauft, eine ganze Zeit lang im Gepäck rumgetragen, nach Deutschland geflogen und hier noch ein bisschen gelagert habe. Die Erinnerungen an Cholula, vor allem an die Brauerei, sind einfach so großartig – und mit einem Glas Bier von dort fühl ich mich fast wieder wie am Fuße des Popocatepetl. Die Flasche kriegt auf jeden Falle einen Ehrenplatz auf meinem Mexiko-Schrein.

Jede Flasche eine Scheibe

19:33 Uhr – Auf die Idee mit dem Brotbier wurde ich schon letzten Sommer gebracht: Wenn man altes Brot in die Maische mischt, kann man Malz sparen und rettet das Brot vor der Verschwendung. Aus altem Brot mach frisches Bier – das hat mit einem fruchtigen Weizen ganz gut geklappt.

Vor mir steht nun eine etwas professionellere Variante dieser Brauspezialität, die mir Gabriel in Österreich besorgt hat: Das Brotbier aus dem Brauhaus Gusswerk in Hof bei Salzburg. Ein biologisches Bier, in dem Bio-Brot aus der Interspar-Backstube endverwertet wird. Nun dann. Das Etikett ist einfach und rustikal gehalten, es sieht sehr nach Handwerk und auch ein bisschen nach Öko aus. Im Bier sind durch das Brot auch Soja und Sesam, das könnte spannend sein.

Die glänzende Bernsteinfarbe des Brotbieres ist sehr hübsch anzusehen. Trotz einer leichten Hefetrübung wirkt das Bier noch leicht klar. Der feine, weiße Schaum liegt in genau der richtigen Menge und Ausdauer auf dem Getränk. In der Nase kommt nicht besonders viel an, ein Düftchen nach Bier maximal.

Das Brotbier schmeckt gut, es ist sehr vollmundig und sehr würzig. Nach was es eher nicht schmeckt, ist Brot. Dafür hat es süßliche Aromen von Banane und Steinobst, im Abgang eine fast schon pfeffrige Note. Erst spät kommen mildherbe Hopfenklänge mit dazu. Das ist gut, denn sonst würde die schwere Süße auf Dauer zu viel werden. So bleibt es dank seiner Milde doch sehr süffig, man kann am Abend sicherlich ein paar Fläschchen des 5,5 Prozent starken Recyclingprodukts wegmachen. Wieviel Bier jetzt umgerechnet wieviel Brot sind, lässt sich hier sogar leicht errechnen: In einem Liter Bier stecken 165 Gramm Brot. Das sind so ungefähr drei dicke Scheiben. Oder eben eine Scheibe in der Drittelliterflasche. Wer einen ganzen Laib retten will, sollte also ziemlich trinkfest sein.

Soleya Saison

18:57 Uhr – Ich musste zugegebenermaßen selbst etwas überlegen und nachschlagen, ob ich schon mal ein Bier des Bierstiles Saison getrunken haben. Aber ja, hab ich: Vor über zwei Jahren ein Mercury Saison von der Schweizer Blackwell Brewery. Es ist also heute keine Premiere, aber offenbar doch eher Ausnahme als Regel. Was ist eigentlich ein Saison? Das Saison (manchmal auch Farmhouse Ale genannt) ist ein traditioneller, belgischer Bierstil, der von den Wallonen stammt, die entlang der Grenze zu Frankreich leben. Es wurde früher nur in den Wintermonaten gebraut, wenn die Farmarbeiter, die „Saisoniers“, weniger Arbeit in den Felden zu erledigen hatten. Das fertige Bier war ein helles Blondes mit einer pfeffrigen Schärfe und einem ausnehmend trockenen Körper. Die modernen Interpretationen dieses alten Bierstils zeigen eine Tendenz dazu, deutlich alkoholischer zu sein und US-Brauer peppen Saisons oft und gern auch mit Gewürzen auf. Besonders Ingwer kommt gut, um das charakteristischen Hefeprofil noch besser zur Geltung zu bringen. (Quelle: Hopfenhelden)

Im vor mir stehenden Soleya Saison von Braufactum wurde aber auf Gewürze verzichtet, es sind nur die üblichen verdächtigen Brauzutaten in das Drittelliterfläschchen gelangt. Das ist mit einem schwarz-weißen Etikett beklebt, auf dem schwach die Zeichnung einer historischen landwirtschaftlichen Szenerie zu sehen ist. Im Glas gefällt das Soleya mit einem festen, schneeweißen Schaum über einem klaren, dunkelgelben Bier mit auffallend lebhafter Kohlensäure.

Der Geruch ist säuerlich bis fruchtig, an Bier erinnert er nicht direkt. Eher an leichten Most oder Cidre. Neben sehr reifen Birnen kann ich auch unreife Bananen und würzige Kräuter erkennen. Der erste Schluck ist überraschend vollmundig, gut, das Saison hat auch 6,5 Prozent Alkohol. Die fruchtigen Aromen sind weiter da, aber es handelt sich doch sehr deutlich um überreife, vergorene Früchten, denn die Süße fehlt. Im Gegenteil, es legt sich vielmehr eine träge Säure auf die Zunge, die an edlen Fruchtessig erinnert. Im Abgang zeigen sich Kräuter, die ich leider nicht näher benennen kann. Diese geben dem Bier eine schöne Würze und nehmen die zuerst geschmeckte Säure wieder komplett raus. Irgendwie erinnert es mich auch ganz, ganz leicht an ziemlich trockenen Weißwein.

Ein interessanter Stil, die leichte Säure und die Würzigkeit sind spannend und auf keinen Fall schlecht. Besonders süffig ist dieses Saison aber nicht: Eines reicht erst mal.

Ostern in der Karibik

14:31 Uhr – Ostern, Zeit um ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen. Die erste Station meiner letzten Mexikoreise war Guadalajara. Einer der Programmpunkte für dort, den ich schon von Deutschland aus geplant hatte, war die Minerva-Brauerei in Zapopan zu besuchen. Zapopan ist eine Stadt genau neben Guadalajara, die beiden Städte sind eigentlich eine. Der Weg zur Brauerei in einem Uber war dann etwas merkwürdig, weil man das Gefühl hatte, die Stadt zu verlassen. Hat man mehr oder weniger auch, denn Minerva liegt etwas außerhalb in einem Gewerbegebiet direkt an einer Schnellstraße. Die Lage tut dem Ort aber keinen Abbruch, denn sobald man das Gelände erreicht hat, ist es ja egal, wo es ist.

Man findet sich in einer klassischen amerikanischen Craft-Beer-Halle wieder. Ein großer, hoher Raum in einer Halle, rustikale Einrichtung im Industrie-Stil, viel Metall – und durch eine deckenhohen Glaswand Blick auf die Gärkessel. Neben etlichen Bieren auf der Karte, die ich alle in kleinen Probiergläschen durchprobiert habe, gab es auch ein paar feine Brauhausspezialitäten. Ich erinnere mich gerne an meinen Taco al Gobernador. Eines der Biere, die mir dort gut geschmeckt haben, habe ich in der Dose gekauft und wochenlang in meinem Koffer mitgeschleppt. Jetzt steht die Dose vor mir.

Das 10 Mil Pies Playacar ist ein India Pale Pilsener, also wohl sowas wie ein etwas stärkeres, stark gehopftes Pils. Am unteren Rand der weißen Dose ist in reduzierten Farben und etwas unscharf eine Strandlandschaft vom Meer aus zu sehen: Feiner Sandstrand, dahinter grün bewachsene Hügel, Sonnenschirme, ein paar Badende und einige Hausdächer. Vor einer prähispanischen Ruine drängt sich ein Pelikan ins Bild. Über der Landschaft steht in geschwungener, schwarzer Schrift der Name des Bieres, außerdem sind in glänzendem Silber Ornamente eingearbeitet, die ich als Wolken oder Wind interpretieren möchte. Das Bier soll laut Beschreibung den Moment darstellen, in dem man sich bei einer Urlaubsreise in die Karibik zum ersten Mal entspannt: Wenn das Flugzeug die Flughöhe erreicht hat. Das könnte den Namen 10 Mil Pies = 10 Tausend Fuß erklären. Die Reise des Bieres geht übrigens nach Playacar, einem Luxusurlaubsort an der mexikanischen Karibikküste.

Im Glas ist das Pils hell Stroh- bis Zitronengelb, trotz seiner Hefetrübe versprüht es einen feinen Glanz. Die üppige weiße Schaumkrone erinnert an Milchschaum. Heraus kommt ein intensiver Duft nach Zitrusfrüchten, vor allem nach säuerlicher Grapefruit. Dazu kommt ein nicht zu überriechendes Hefearoma – für ein Pils ja eigentlich eher ungewöhnlich.

Im Geschmack ist die herbe sehr dominant, sie ist hopfig, grasig, heuig und zitrusbitter. Durch diese Aromen und mit seinem leichten Körper ist das Bier äußerst spritzig, süffig und erfrischend. Das kann ich mir in der Tat gut an einem schönen Karibikstrand vorstellen. Allerdings erst gegen Abend, wenn die Sonne nicht mehr so sehr vom Himmel brennt. Denn für die Mittagssonne ist das herbe Getränk schon etwas zu mächtig. Auch an einem sonnigen Ostersonntag in Deutschland ist es auf jeden Fall sehr brauchbar. Ein tolles Mitbringsel!

Alkoholfreitag

19:28 Uhr – Zum Karfreitag nochmal was Alkoholfreies: Ein Riedenburger aus dem Alnatura, unfiltriert und hell. Das Etikett der braunen Halbliterflasche spricht mich jetzt nicht so sehr an, ein recht klassisch gehaltenes Design in Rot, Weiß, Schwarz und Grau. Auch das Bier selbst macht optisch einen etwas langweiligen Eindruck: Es ist recht dünn und klar, dazu auch noch Hellgelb. Lediglich die lebendige Kohlensäure und der feine Schaum bringen etwas Schwung in die Kiste beziehungsweise ins Glas.

Aus dem Glas dringt ein süßlicher Malzgeruch in die Nase, ganz typisch für alkoholfreie Biere. Dieser Eindruck ist ein sehr milder. Da überrascht es schon beinahe, dass der erste Schluck dann doch recht würzig daher kommt. Die Malzsüße ist nach wie vor vorhanden, ich meine da jetzt Aromen von Banane zu erkennen. Im Abgang glänzt das Riedenburger mit einer leichten Hopfenherbe. Insgesamt ein süffiges Alkoholfreies, das man gut trinken kann.

Kunstwerk im Kunstwerk

20:12 Uhr – Vor mir steht meine erste Dose von Blech.Brut aus Bamberg. Diese kleine Brauerei ist für ihre kunstvoll gestalteten Dosen bekannt. Ob auch das Bier ein Kunstwerk ist, wird sich zeigen.

aerial.city heißt das IPA, das Dosendesign zeigt eine Stadt aus der Vogelperspektive. Genau genommen eigentlich nur eine Kreuzung mit einigen Autos und Motorrädern, über die eine Bahnbrücke mit einer S-Bahn ragt und an deren Rand einige Gebäude stehen. Das erinnert mich irgendwie an eine Mischung aus Wimmelbild und diesen Straßen-Spiel-Teppichen, die manche meiner Grundschulfreunde zuhause hatten. Sehr außergewöhnlich, mal was ganz anderes. Auch wenn ich der Meinung bin, dass die abgebildete Verkehrsführung zu Unfällen führen wird.

Das Bier im Glas wurde mit Gersten-, Weizen- und Hafermalz, Wasser, Hopfen und Lactose gebraut. Im Glas führt das dazu, und ich glaube, ich bilde mir das nicht nur ein, dass das Getränk ein bisschen wie diese Molkegetränke a la Rivella wirkt. Davon abgesehen besticht es durch ein helleres Goldgelb, das schon fast in Richtung Zitronenfarbe geht. Eine schöne Hefetrübe und eine dünne Schaumschicht runden den Augenschmaus ab.

In die Nase gelangen intensive Fruchtaromen von Zitrusfrüchten, Mirabellen, Kiwis und Aprikosen. Das riecht fast ein bisschen wie Spülmittel, ohne das jetzt negativ zu meinen. Der Geruch von Seife fehlt nämlich genau wie der Duft von Malz oder klassischen Hopfen.

Tatsächlich ist das 6,4 Prozent starke IPA ziemlich süß, was von der Lactose kommen dürfte, die die Hefe nicht in Alkohol umwandeln konnte. Diese Süße ist ein krasser Kontrast zu dem, was man normalerweise von IPAs mit solch fruchtigem Geruch kennt. Das sind nämlich in der Regel herbe Hopfengeschosse. Hier dagegen spült das Bier mit einem cremigen Mundgefühl weiter und weiter Aromen von Fruchtpüree um die Zunge: Mirabellen, Mandarinen, säuerliche Beeren oder auch eine reife Ananas sind da zu nennen. Unterschwellig hat sich auch ein Stückchen Banane in den Fruchtcocktail gemogelt. Die weitgehend fehlende Kohlensäure sorgt dafür, dass das Bier trotz seiner Süße und seinen verführerischen Aromen nicht sehr süffig ist. Man nippt eher am Glas und genießt jedes Schlückchen.

Das aerial.city ist vorerst nicht mein neues Lieblingsbier, vielleicht auch, weil es so ungewohnt ist. Der Inhalt der Dose passt aber absolut zur Dosengestaltung: Ausgefallen, weg vom Bekannten, überraschend, viel zu entdecken. An sich bittere Hopfenaromen durch Lactose einzufangen, ist etwas, was ich mir für eines meiner nächsten Brauprojekte merken werde. Gute Idee!

Orangenkick

17:47 Uhr – Schon wieder so ein Tag, an dem man stundenlang aus dem Fenster des Home Offices guckt und sich auf das Feierabendbier freut. Das Gute an diesen Zeiten ist ja, dass der Weg zwischen Schreibtisch, Kühlschrank und Balkon sehr überschaubar ist. Hoffentlich passend zu genialen Wetter eine fruchtige Erfrischung aus Neu-Ulm: Das Orange Summit von der Schlössle Brauerei, ein Biermischgetränk aus 90% obergärigem Bier und 10% Orangenlimo.

Das Etikett ist vor allem Orange, durch die orangene Fläche schimmert eine Holzmaserung. In weißer Schrift stehen die wichtigsten Infos zum Getränk geschrieben, im Zentrum befindet sich ein weißer Kreis, in dem eine ganze, eine halbe und eine viertel Orange zu sehen sind. Nichts überragend Ausgefallenes oder Hübsches, aber ein ganz guter Versuch, das Thema Orange in einer Mischung aus moderner Craft-Beer-Optik und traditioneller Brauerei-Anmutung darzustellen.

Im Glas ist das Orangenbier schön anzusehen, die rötlich-braune Farbe geht in Richtung Bernstein. Die Trübe lässt kein Licht durch die Flüssigkeit. Der Schaum ist fest und grobporig. Der Geruch ist nicht aufdringlich, aber letztlich doch intensiv. Zuerst schießen mit die etwas abgestandenen Aromen von Orangenschalen in die Nase, dazu eine gewisse süßliche Erdigkeit und ein Hauch von Karamell. Es riecht bei weitem nicht so fruchtig-frisch, wie ich mir das erwünscht hatte, es hängt vielmehr eine Schwere in der Luft.

Der erste Schluck offenbart, dass es sich bei dem verwendeten Bier um ein ziemlich herbes Tröpfchen handeln muss, denn die bitteren Töne sind absolut dominant. Dazu gesellt sich eine unterschwellige Rauchnote, auch einige Röstaromen. Ein solches Bier hatte ich nicht erwartet, aber es gefällt mir ganz gut. Nach und nach bahnt sich auch die Orange in Form von fruchtiger Säure ihren Weg an die Geschmacksnerven. Am ehestens erinnert mich das Ganze an ein sehr herbes, leicht modriges Witbier. Im Abgang kommt nochmal die Bittere des weißen Teils einer Orangenschale zur Geltung.

Gibt es eigentlich dieses Orangen-Radler von Warsteiner noch?

Hamburg-Wien-Connection

18:28 Uhr – Für diesen sommerlichen Frühlingstag habe ich mir extra ein schönes Sommerbier in den Kühlschrank gestellt, um mir den Feierabend zu versüßen. Auf meinem Balkon an der Sonne war es fast noch unerträglich heiß, aber für ein Session IPA kann das Wetter ja eigentlich nicht gut genug sein. Das heutige Bier entsprang einer Kooperation der beiden Brauereien Superfreunde aus Hamburg und BrewAge aus Wien. Das Etikett ist in Schwarz, Weiß und Gelb gestaltet und hat eine Anmutung, die nach Punkband aussieht. Das Motiv sind zwei gezeichnete Gestalten, die sich gegenseitig je eine Hand auf die Schulter gelegt haben. Links ein Skelett mit Baseballmütze, das ein weißes T-Shirt mit dem BrewAge-Logo anhat. Das Skelett ist ein wiederkehrendes Element auf den Bieren aus dem Hause Superfreunde. Rechts ein haariges, tierisches Wesen – vielleicht ein Bär – mit Orangen auf den Augen. Tiermotive sind die typischen Charaktere der BrewAge-Biere. Dieses Geschöpf trägt ein schwarzes T-Shirt, auf dem ein Handschlag abgebildet ist, ein wiederum für die Superfreunde stehendes Motiv. Dieses Zusammenbringen der beiden Brauereien auch auf dem Etikett gefällt mir außerordentlich gut.

Im Glas habe ich erst mal richtig viel Schaum, vielleicht habe ich bei der Hitze zu schwungvoll eingeschenkt. Unter der üppigen Schaumhaube verbirgt sich goldgelbes Bier, das von einer lebendigen Kohlensäure mit auffallend großen Blasen beblubbert wird. Daraus strömt ein recht dezenter, fruchtiger Duft nach Zitrone und Hopfen.

Wie es sich für ein Session IPA gehört, ist das Bier leicht, süffig und frisch, mit einer schönen Herbe und würzigen Aromen von Kräutern, Pfeffer und Blumen. Alle Aromen sind sehr unaufdringlich, also keine Fruchtbombe in dem Sinne. Trotz seiner Leichtigkeit und nur 3,7 Prozent Alkohol neigt das Getränk aber nur ganz leicht zur Wässrigkeit. Im Abgang kommt die Zitrone nochmal ein bisschen raus, die leicht bittere Säuerlichkeit passt gut. Ein sehr ordentliches Sommerbier, das man an warmen Tagen gut trinken kann.

Alkoholfreier Brauhund, Teil 2

15:29 Uhr – Zweite Chance für alkoholfreies Craftbeer aus dem Hause BrewDog: Nachdem mich das Punk AF wenig überzeugt hat, ist heute das Hazy AF an der Reihe, ebenfalls ein in Berlin gekauftes, alkoholfreies IPA. Auch dieses Bier ist in einer kleinen, silbernen Dose verpackt. Die Farbelemente sind dieses Mal in Petrol gehalten.

Im Glas wirkt es recht dünn, obwohl es mit einer deutlichen Hefetrübung aufwarten kann. Durch große, aufsteigende Kohlensäureblasen erscheint das Hazy AF sehr lebhaft. Schaum ist leider ein rares Gut, die Oberfläche ist noch nicht mal vollständig bedeckt. Wüsste man nicht, dass es Bier ist, könnte man hier auch eine naturtrübe Apfelschorle im Glas vermuten.

Das Bier duftet direkt sehr herb, eine säuerliche Zitrusfrucht sticht hervor. Diese Frucht könnte vielleicht auch ein grüner Apfel sein. Dieser Geruch ist sehr intensiv, dazu kommt noch ein Hauch von Nadelwald. Im Geschmack ist das Hazy AF dann recht dünn, was vom sehr deutlichen Hopfen etwas aufgefangen wird. Dessen Aroma ist nicht so fruchtig wie erwartet, eher leicht säuerlich. Die in alkoholfreiem Bier oft vorhandene Süße fehlt hier komplett, so dass es sehr erfrischend ist. Im Abgang zeigt sich der Aromahopfen nochmal mit seiner Hebe und seinen Zitrusnoten. Definitiv das bessere der beiden BrewDog-Varianten.