Urban Beergardening V

8:10 Uhr – Ich muss mich entschuldigen. 5 Wochen lange habe ich keine Wasserstandsmeldung aus meinem Biergarten herniedergetippt. Sicherlich haltet ihr es vor Wissbegierde kaum mehr aus. Absolut verständlich.

Der Hopfen gedeiht weiterhin prächtig. Die beim letzten Mal entdeckten Schädlinge waren Läuse, die ich mit den herkömmlichen Amateurgärtnertricks nicht los geworden bin. Also bin ich in die Schädlingsbekämpfungsabteilung des Gartenmarktes meines Vertrauens und habe mir ein Sprühmittelchen geholt. Was harmloses natürlich, denn aus dem Hopfen soll ja noch ein Lebensmittel werden. Es hat gewirkt, die allermeisten Läuse sind weg. Und an den restlichen erfreuen sich Ameisen und Marienkäfer. Die Hopfenpflanzen haben jetzt auch so langsam kapiert, dass es nach oben nicht weitergeht, das erspart mir viel Abzwickerei – und ganz nebenbei erfüllen sie ihre Rolle als Sichtschutz immer dichter und damit besser. Nun mache ich mich täglich auf die Suche nach den ersten kleinen Dolden.

Die Gerste ist weiter gewachsen, allerdings ist ungefähr die Hälfte abgestorben. Ich denke in der Tat, dass mein Feld zu dicht war und sich einfach die stärksten Halme durchgesetzt haben. Letzte Woche hat sie mich dann richtig glücklich gemacht, meine Gerste. Aus den breiten Grashalmen hat sich nämlich die Entwicklung zu richtigem Getreide angedeutet: Erste Härchen haben sich oben herausgestreckt. Nach ein paar Tagen waren auch die ersten Körnchen zu sehen. Jetzt wird die Gerste natürlich noch mehr gehegt und gepflegt als ohnehin schon. Und so langsam muss ich mir einen Experten suchen, der weiß, wann man ernten kann. Und einen Minimähdrescher sollte der im Idealfall auch haben.

Urban Beergardening IV

22:23 Uhr – Es wächst und gedeiht in meinem Biergarten, aber scheinbar ziehen auch die ersten grauen Wolken auf. Am Hopfen habe ich vor allem an den frischen Trieben kleine, schwarze Mücken entdeckt. Ich kann nirgendwo etwas über einen solchen Schädling finden und vielleicht genießen die einfach nur den schönen Schatten der Pflanze. Trotzdem beunruhigt mich das ein bisschen. Davon abgesehen gedeihen die zwei Pflanzen hervorragend. Seit rund zwei Wochen muss ich fast täglich oben die Spitzen abschneiden, damit die nicht auf dem Balkon über mir weiterwachsen. Als Sichtschutz und Schattenspender wird der Hopfen auch immer besser, noch ein paar sonnige Tage und die eine Balkonseite dürfte komplett dicht sein.

Gerste im Strandstuhl

Die Gerste ist hochgeschossene wie die Sau. Jetzt fängt sie aber an, die Flügel hängen zu lassen. Erst dachte ich, dass sie zu trocken hat. Es war ja doch schon ziemlich sommerlich die letzten Tage. Mittlerweile beschleicht mich aber das Gefühl, dass ich zu dicht gesät habe und der Pflanze jetzt der Platz zur Entfaltung fehlt. Oder es halt doch ein Gewächs ist, dem es im Blumenkasten nicht so gut gefällt. Ich werde mal die Entwicklung der nächsten Tage und vielleicht Wochen abwarten. Vielleicht gehört das ja auch so.

Urban Beergardening III

10:14 Uhr – In diesen Tagen ist viel zu tun, ich komme kaum mehr zum Biertrinken. Geschweige denn zum Schreiben. Die wenigen Ruhepausen verbringe ich, wenn es das Wetter einigermaßen zulässt, im Biergarten auf meinem Balkon. Der Hopfen entwickelt sich prächtig. Die ersten Triebe werden in den nächsten Tagen an der Decke anstoßen und somit die Maximalhöhe von rund drei Metern erreichen. Untenrum werden die Pflanzen immer buschiger und es kommen immer mehr zarte Triebe dazu. Drückt mir die Daumen, dass Callista und Polaris von Schädlingen verschont werden.

Hopfengarten

Die Gerste habe ich am letzten Aprilwochenende in Blumenkästen ausgesät, etwas mit Erde bedeckt und abgewartet. Trotz dem kalten Klima haben schon nach wenigen Tagen die ersten grünen Spitzen aus dem Boden geguckt. Und den Pflänzchen gefällt es offensichtlich ziemlich gut bei mir, denn inzwischen habe ich ein richtiges kleines Gerstenfeld. Gut 15 cm sind die viele Pflanzen inzwischen groß und sie gedeihen fröhlich und anspruchslos weiter. Mal schauen, ob das doch sehr eingeschränkte Erdreich das Wachstum irgendwann einbremst und ich dann Bonsaigerste habe. Das wäre ja auch nicht schlimm, Hauptsache es gibt was zu ernten.

Gerstenfeld

Neben den Bierzutaten gedeihen inzwischen auch etliche Chilipflanzen der verschiedensten Sorten, Salbei, Rosmarin, Basilikum (der gedeiht so mittelmäßig), Pflücksalat, Olivenkraut, Koriander, Pfefferminze und marokkanische Minze in meinem Biergarten. Damit Hopfen und Gerste gute Gesellschaft haben.

Urban Beergardening II

13:21 Uhr – Dem Hopfen geht es prächtig. Letzte Woche hat er ein äußerst professionelles Rankgerüst geschenkt bekommen, an dem er den Sommer über hochwachsen und gedeihen kann. Da sowohl der Callista als besonders auch der Polaris in den letzten Tagen kräftig gewachsen sind, fehlen nur noch wenige Zentimeter, um die gespannten Schnüre  zu erreichen. Und dann kann es abgehen. Interessant zu sehen ist auch, dass die beiden Hopfensorten tatsächlich recht verschiedenes Blattwerk haben. Der fruchtige Callista ist eher zart, der eisige Polaris eher grob. Ich bin gespannt, ob auch die Dolden sehr verschieden sein werden.

Jetzt wo der Hopfen so schön gedeiht, kann ich das nächste Projekt angehen: Die Gerste. Das Fragezeichen ist immer noch riesig, aber das muss ja auch irgendwie möglich sein.

Urban Beergardening

11:48 Uhr – „Hier wächst Ihr Bier“ soll bald auf einem Schild auf meinem Balkon stehen. Ich habe mir nämlich für 2019 ein ganz spezielles Projekt vorgenommen: Ich möchte ein Bier brauen, dessen Zutaten ausschließlich auf meinem ungefähr zehn Quadratmeter großen Balkon gewachsen oder entstanden sind. Die heutige und erste Übung war vermutlich die einfachste, ich habe den Hopfen eingepflanzt. Zwei ganz kleine und zarte Pflänzchen der Sorten Callista und Polaris stecken nun in der Mitte zweier scheinbar viel zu großen Töpfe, die mit 80 Litern Blumenerde gefüllt sind. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Hopfenranken schon bald gedeihen und im Frühsommer bereits oben am nächsten Balkon anstoßen.


Außerdem habe ich diesen herrlichen Frühlingsvormittag auch direkt mal genutzt, um meinen Balkon wieder fit für den Sommer zu machen. Ich habe also den Rasenteppich gesaugt, leere Blumentöpfe aufgeräumt und die Gartenmöbel abgestaubt. Momentan trocknet alles an der Sonne, aber am Nachmittag sollte mein Sommerparadies für den Genuss des ersten Bieres einsatzbereit sein.

Auf dem Weg zum selbstgebrauten Balkon-Bier fällt natürlich noch mehr an. Bier braucht bekanntermaßen neben Hopfen noch Malz, Wasser und Hefe. Regenwasser kann ich sicherlich irgendwie sammeln. Gerste werde ich auch versuchen zu sähen, hoffentlich wächst die. Wie das mit dem Mälzen und Schroten so funktioniert überlege ich dann, wenn ich die Körner gedeihen sehe. Ein großes Fragezeichen ist im Moment noch, wie ich auf meinem Balkon Hefe wachsen lassen kann. Aber wenn es einfach wäre, wäre es ja Winzerei.

Storchen Pils

19:49 Uhr – Heute Abend kommt eines meiner letzten Brauerzeugnisse auf den Prüfstand, das Storchen Pils. Gebraut habe ich es nach Pilsener Brauart ausschließlich mit bei der Familie Künst in der Leutkircher Storchenstraße gewachsenem Hopfen. So kommt das Bier auch zu seinem Namen. Das Etikett ziert eine historische Postkarte aus dem Jahre 1904, auf der die Abbiegung von der Wangener Straße in die Storchenstraße zu sehen ist. Wer genau hinguckt, kann am Eckhaus über der Eingangstür sogar die angebrachte Storchenfigur sehen, die dort bis heute hängt. Darüber steht in brauner, geschwungener Schrift groß der Name des Bieres.

Die Idee war, Überraschung, ein ganz klassisches Pils zu brauen. Diese Brauart ist auch der Grund, warum das Storchen Pils mein erstes untergäriges Bier geworden ist. Das heißt, dass es mit untergäriger Hefe vergoren wurde. Diese Hefe arbeitet am Grund des Gärbehälters und vor allem bei Kühlschranktemperaturen. Deshalb hat das Storchen Pils quasi sein ganzes Dasein im Kühlschrank verbracht (direkt nach ihm kamen die Schildkröten zum Winterschlaf rein).

Im Glas sieht es leicht cremefarben bis goldgelb aus, durch die Trübe (naturtrüb!) wirkt es für ein Pils relativ dunkel. Die lebendige Kohlensäure und der feinporige Schaum mit Bläschen, der sich recht gut hält, sorgen für einen ansprechenden optischen Eindruck. In die Nase steigt ein gemäßigter Geruch nach Hopfen, Kräuter und ein bisschen nach Teig.

Der erste Schluck verrät, dass das Storchen Pils mit seinen ungefähr 4,5 Prozent Alkohol sehr vollmundig ist, fast schon eine  leicht cremige Konsistenz hat. Geschmacklich bietet es eine blumige Süße, die kurz an ein wenig Kandiszucker erinnert (natürlich ist kein Zucker im Bier!). Nach diesem süßlichen Auftakt kommt bald eine leicht säuerliche Herbe dazu. Im Mund zurück bleibt der Geschmack von frisch gebackenem Brot. Insgesamt finde ich völlig subjektiv, dass es ein rundes Pils mit einem ziemlich schnörkellosen und ursprünglichen Geschmack geworden ist. Schluck für Schluck verdrängt dann auch eine trockene Herbe die anfängliche Süße, ein grasiges Hopfenaroma setzt sich immer mehr durch.

Die härteste Tür Berlins

22:13 Uhr – Dieser unwürdige Moment muss mindestens 10 Jahre her sein. Ich habe Bernd, der damals ein Praktikum dort gemacht hat, in Berlin besucht. In unserer jugendlichen Euphorie wollten wir Landkinder nicht einfach nur in Berlin einen draufmachen, sondern es gleich richtig wissen. Wir sind zum Berghain. Zum berühmtesten und verruchtesten Techno-Club der Welt. Ja, wir sind zum Berghain. Aber eben nicht ins Berghain. Der Türsteher hielt uns für nicht würdig. Was in der Nacht anschließend passiert ist, weiß ich nicht mehr. Legendär wurde sie dadurch, dass wir eben nicht rein kamen.

Ich wurde älter, aber an mir haftete all die Jahre dieser Makel, es nicht ins Berghain geschafft zu haben. Bis vergangenen Samstag. Denn Mara hat mir dabei geholfen, mein Jugendtrauma aufzuarbeiten – und mich ins Berghain gebracht. Leute, ich war im Berghain. In diesem berühmtesten und verruchtesten aller Techno-Clubs der Welt. Dieser Ort der durchtanzten Nächte, der Drogenexzesse und der wilden Sexpartys. Ich habe es geschafft.

Das Gebäude, eine alte, riesige Fabrik, ist wirklich sehr beeindruckend. Was mich total überrascht hat, war die unfassbar saubere Toilette ohne auch nur einen einzigen Aufkleber (kein Witz). Am meisten aber hat mich aus dem Konzept gebracht, dass mir die Musik in diesem Techno-Tempel ausgesprochen gut gefallen hat. Wir, Mara, ich und mein Pils, haben sogar ein bisschen zur Musik und zum Glanz der Lichtorgel getanzt.

Das mit der Musik mag vielleicht daran liegen, dass es Samstagmittag war und wir beim Familiennachmittag auf der Rollschuhbahn im Berghain waren. Aber ich war definitiv im Berghain. Utz utz utz.

Du Pfandflaschensammler

20:20 Uhr – Eines meiner nächsten Brauerzeugnisse möchte ich gerne in Drittelliter Euroflaschen abfüllen. Leider habe ich von diesen längst noch nicht genügend gesammelt. Zum einen, weil es gar nicht so viel Bier in diesen Flaschen zu kaufen gibt, zum anderen, weil man das Bier, das es in diesen Flaschen gibt, dann doch meistens gleich aus der Halbliterflasche trinkt. Aber wir wollten ja im neuen Jahr ohnehin alle ein bisschen weniger trinken, oder?

Deshalb bitte ich höflichst um eure Mithilfe: Ich freue mich sehr über eure an mich gespendeten 0,3 Liter Euroflaschen! Vielleicht habt ihr ja eh noch welche rumstehen – oder ihr denkt beim nächsten Getränkekauf an mich. Das wäre ganz toll. So sehen, die Flaschen übrigens aus:

So füllt zum Beispiel die Brauerei Härle alles mögliche in diese Fläschchen ab, aber auch das Allgäuer Hell gibt es in dieser Form. Und vermutlich findet ihr in eurem Getränkemarkt noch andere hervorragende Angebote.

Prima wäre es, wenn ihr die Flaschen nach dem Genuss kurz mit Wasser ausspülen würdet, damit unten keine Bierreste reinschimmeln. Um alles weitere kümmere ich mich dann. Besten Dank!

Mit Zitrusschnee nach 2019

11:38 Uhr – Und, wie hat euer neues Jahr so angefangen? Ich habe am 1. Januar erst mal eine Flasche Bier (Leffe Royal Cascade IPA) in die Tiefgarage schmissen. Dort hat es fein nach Zitrusfrucht und Mango geduftet, ich war aber schon ein bisschen traurig. Außerdem habe ich mir noch eine kleine Erkältung mit herrlichem trockenem Husten eingefangen. Realistisch gesehen kann 2019 ab jetzt eigentlich nur noch besser werden. Darauf freue ich mich.

Im Moment freue ich mich auch, denn vor meinem Fenster schneit es endlich. So richtig schön viel und dick. Sogar meine bunten Lampions und die Sitzkissen auf meiner Gartenbank sind schon schneebedeckt. Hätte man natürlich auch im Herbst wegräumen können. Aber so bin ich gleich für den Sommer gerüstet, sobald der Schnee wieder weg ist. Darauf freue ich mich auch.

Bryan Rittmayer

21:19 Uhr – Der kürzeste Tag des Jahres ist doch eine wunderbare Gelegenheit für ein Sommerbier. Zumindest heißt dieses Getränk aus dem Hause Rittmayer in Hallerndorf Summer 69 und soll ein Rock’n’Roll-Ale für die besten Tage deines Lebens sein. Abgefüllt ist das Bier in eine schöne bauchige Drittelliterflasche mit langem Hals. Das rote Etikett hat einen weißen Rahmen, darauf steht in Gelb und Weiß der Name des Gebräus samt Untertitel.

Von der Farbe des Bieres bin ich erst mal überrascht. Es ist deutlich mehr Rock’n’Roll als Summer. Es ist nämlich dunkel bernsteinfarben mit leichtem Rotschimmer, der schnell zerfallende Schaum hat fast die Tönung von Milchkaffee. Es riecht leicht säuerlich mit einem Hauch von Benzin und irgendwie nussig-zart, hier haben wir also tatsächlich eine Mischung aus Sommer und harter Rockmusik.

Das Summer 69 schmeckt gut. Aber der Geschmack ist auch richtig schwer zu beschreiben. Es fühlt sich im Mund ein bisschen ölig an und kommt mit einer breiten Herbe daher, die dann zunächst ins Malzsüße mit einer Spur von reifer Banane und im Abgang ins Säuerliche wechselt. Zurück bleibt der schon erwähnte Nussgeschmack in Verbindung mit Kräutern.