Tschüssikowski

22:27 Uhr – Wer seinen Lebensmittelpunkt öfter verlegt, muss sich auch öfter verabschieden. Das ist meistens nicht besonders schön, aber gehört eben auch zum Weiterziehen. Der Abschied von den Kollegen liegt bereits hinter mir. Von der Küste kann ich immerhin noch bis Donnerstag Abschied nehmen, dann geht es ins Landesinnere. Ihr merkt schon: Ich werde zum Vagabund. Darum kann ich auch nicht versprechen, dass es regelmäßig eine Standortdurchgabe hier auf der Seite geben wird. An Fotos gar nicht zu denken. Jetzt trinke ich noch ein letztes spanisches Dosenbier auf meinem grün bezogenen Bett vor meiner grünen Wand und irgendwann werde ich dann zum letzten Mal in dieser Wohnung meine Äuglein schließen. Und morgen Früh ist hoffentlich meine Wäsche trocken…

Sock'n'Roll

21:24 Uhr – Nachmittage in großen Einkaufszentren enden bei mir im Normalfall mit dem Kauf eines Taschenbuches. Meistens finde ich nämlich die Auslage in den Geschäften von Weltbild, Hugendubel und Co weitaus interessanter als die in den Modeboutiquen. Hinzu kommt, dass ich mir Bücher, an denen ich Gefallen finde, meist leisten kann. Bei meinem exquisiten Bekleidungsgeschmack ist das leider nicht immer so.

In der Shopping-Mall von Marbella, einer Einrichtung namens  „La Cañada“, hat sich allerdings alles gegen mich verschworen: Es gibt dort keine einzige Buchhandlung! Da verwundert es natürlich auch nicht weiter, dass der Bildungsstandard in Spanien nicht der allerhöchste ist. Also musste ich mich eben doch in die zahlreichen Klamottenläden stürzen. Und ich habe mir sogar tatsächlich was gekauft: Ein ultraschickes von 27 auf 3,99 Euro reduziertes Designershirt und zwei wunderschöne Paar Socken.

"In ein fernes unbekanntes Land"

23:07 Uhr – Am gestrigen Samstag war ich in Estepa. Das ist ein kleines andalusisches Städtchen ungefähr in der Mitte zwischen Sevilla und Cordoba. Berühmt ist es vor allem, für das Weihnachtsgebäck, welches dort von Oktober bis Dezember hergestellt wird. Auf den ersten Blick war der 11. Februar also ein recht ungünstiger Besuchstermin. Ich hatte jedoch ein anderes Motiv als staubiges Mandelgebäck: Zwischen meiner Heimatstadt Leutkirch und Estepa findet nämlich ein freundschaftlicher Austausch statt, im Sommer wird sogar eine spanische Flamenco-Gruppe zum Kinderfest ins Allgäu anreisen. Also wollte auch ich unsere spanischen Brüder und deren Heimat kennenlernen, einen „Kontaktmann“ hatte man mir aus der Heimat besorgt.

Dass dieser Kontaktmann – Ezequiel – Kunst- und Geographiegeschichte studiert hat und zudem jahrelang als Stadtführer in Estepa tätig war, hat meinen Ausflug in kulturell andere Sphären gehievt. Da es in der Stadt eigentlich hauptsächlich Kirchen und Klöster gibt, hatte ich vermutlich den kompetentesten Guide überhaupt. Und es war wirklich hoch interessant. Man sollte sich immer einen Fachkundigen bereithalten, wenn mal alte oder sakrale Gemäuer betritt. Ich weiß jetzt jedenfalls allerlei über Dominikaner, Franziskaner und andalusische Adlige des Mittelalters. Gerne würde dies alles an euch weitergeben, aber solch intellektueller Stoff würde euch sicherlich erschlagen. Darum machen wir es auf die gewohnt-bewährte Art und Weiße: Fotos!

Der Tiger von Prydniprovska

22:53 Uhr – Und plötzlich war ich im tiefsten Russland. Natürlich war es gestern auch etwas frisch, aber das war nicht der Grund. Marbella ist einfach sehr wandlungsfähig. Wenn dann eben Dynamo Kiew gegen Rubin Kazan Fußball spielt, sind alle Spanier, Engländer, Deutsche und Holländer plötzlich weg und Osteuropa beherrscht das örtliche Fußballstadion. Zur Halbzeit bin ich dann gegangen, nicht nur wegen der Kälte, sondern auch aus Protest darüber, dass Andrey Schevtschenko, von dem ich vor über 10 Jahren sogar ein Trikot besaß, noch nicht einmal im Kader der Ukrainer war. Ein kleiner Skandal wie ich finde.

Heute dann das Kontrastprogramm: Ich war im Zoo! Und zwar im äußerst kleinen Tierpark in Fuengirola, weil der weiße Tiger ein Geschenk zu seinem einjährigen Zoojubiläum erhalten sollte. Dieses Geschenk war ein mit Fleisch gefülltes Karton-Bambi. Angeblich sollte damit der natürliche Jagdinstinkt der Wildkatze geweckt werden. Ich weiß ja nicht. Besonders panisch geflüchtet ist das Beutetier jedenfalls nicht und ich bin mir noch nicht mal sicher, ob der Tiger überhaupt bemerkt hat, dass sein Frühstückchen eingepackt war. Naja. Immerhin konnten wir uns danach noch den Zoo anschauen, ohne die 16 Euro Eintritt abdrücken zu müssen. Tier des Tages: Erdmännchen. Kann man die eigentlich als Haustier halten?

Reinheitsgebot unterliegt 0:4

22:55 Uhr – Erst beim Stande von bereits 2:0 im DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen Borussia Dortmund und Holstein Kiel ist mir aufgefallen, dass zu einem standesgemäßen Fußballabend auch ein Fläschchen Bier gehört. Welch ein Glück, dass ich noch eines auf meiner Kommode stehen hatte. Zumindest auf den ersten Blick. Ein zweiter Blick auf die Zutatenlisten lies mich zweifeln, ob es sich um echtes Bier handelt: Wasser, Gerstenmalz, Mais (?), Hopfen, Hefe. Soweit von mir aus noch einigermaßen akzeptabel. Aber jetzt kommen die echten Kracher: Stabilisator E-405, Rostschutz (antioxidante?) und Gluten. Ein ziemlich unreines Produkt aus der spanischen Hauptstadt. Naja, Dortmund hat trotzdem gewonnen. Und bald gibt es ja wieder bestes oberschwäbisches Gerstenmalz, hervorragendes Wasser von der Adelegg und Hopfen aus dem Tettnanger Anbaugebiet. Und sonst nichts.

Winde wehn, Schiffe gehn

21:18 Uhr – Ich hätte euch den abscheulichen Anblick dieses Vogelkadavers gerne erspart. Aber man darf die Augen vor der harten Realität nicht verschließen. Natürlich hätte ich auch fröhlich-wehende Fahnen, romantisch abknickende Mammutbäume oder sanft herabgleitende Satellitenschüsseln fotografieren können. Aber das würde das Elend, welches heute in der selbsternannten Jetsetmetropole herrschte, nicht richtig wiederspiegeln.

Es hat gestürmt. Obwohl ich seit Jahresbeginn 24 Kilo abgenommen habe, will ich folgendes Bild verwenden, um die Windstärke zu veranschaulichen: Ich war nicht mehr in der Lage, die Richtung meines Katastrophen-Spaziergangs selbst zu koordinieren.

Nun denn: Umgestürzte Palmen liegen auf falschgeparkten Autos, Fensterscheiben splittern, Hundekacke auf dem Gehweg trocknet besonders schnell, Vögel fliegen vor Erschöpfung tot vom Himmel, ganze Mülldeponien werden an der Strandpromenade angeblasen, Blumentöpfe stürzen von Balkonen, Geschosse in Kakteen-Form schießen durch die Gassen. Zum Glück übersteigt mein  Glück meinen Verstand erheblich und ich habe auch diese Tragödie überlebt.

Ich bin bereit für das nächste Abenteuer. Morgen hätte ich Zeit.

Froh herbei, wolkenfrei…


21:03 Uhr -Ich kann euch zur besten Tatort-Zeit leider nicht mit den guten Nachrichten verschonen: Das Wetter war heute fulminant. Strahlender Sonnenschein, kein Wölkchen am Himmel, ruhiges Meer und total überlaufene Strandpromenade. Trotzdem habe ich es mir nicht nehmen lassen, erst eine kleine Tour durch den Sporthafen zu machen und den Mittag später mit einer kleinen Barfuß-Strandwanderung ausklingen zu lassen. Abgesehen von diesen urlaubsartigen Frühlingserscheinungen war mein Sonntag jedoch eher langweilig bis stinklangweilig.

Gestern war etwas mehr los, was in erster Linie daran lag, dass ich unterwegs war. Ich habe das schönste Dorf Andalusiens – Frigiliana – und dort den schottisch-walisischen Autor David Baird besucht. Der gute David lebt seit über 40 Jahren in einem alten, kleinen Haus in diesem Bergdorf. Die Zeiten haben sich seitdem geändert, aber die Hippies sind scheinbar geblieben. Gelohnt hat es sich auch, ich habe nämlich nicht nur einen neuen Ort und einen interessanten Menschen kennengelernt, sondern auch ein Buch geschenkt bekommen. Mein Vorhaben, als nächstes ein spanisches Buch zu lesen ist damit allerdings passé. Es wird auf englisch gelesen.

Und weil durch Andalusien fahren so schön ist, geht es morgen gleich weiter. Ich fahre in die Hauptstadt Sevilla. Viel werde ich von der Stadt aber wahrscheinlich nicht sehen, da ich mich am Bahnhof mit einem spanischen Regisseur (Manuel Martín) zum Interview treffen werde. Wenn das klappt. Ich weiß ja nicht, wie zuverlässig die Filmbranche hierzulande ist. Auf dem Weg werde ich noch das Örtchen Carmona streifen und einen Ausflugstipp darüber schreiben.

Jetzt werde ich noch die morgige Fahrt vorbereiten und mich danach in mein frisch bezogenes Bettchen legen und den ereignislosen Sonntag revue passieren lassen. Nicht jedoch, ohne hier vorher nochmal richtig auf den Putz zu hauen! 146 Kommentare wurde im Jahre 2012 bereits auf dieser Seite hinterlassen. Das ist prinzipiell ein sehr guter Wert. Leider waren es ausschließlich Spam-Einträge. Das heißt im Umkehrschluss: Noch kein einziger Kommentar von meiner stinkfaulen Leserschaft (was auch darauf schließen liese, dass es keine Leserschaft gibt)! Ich will jetzt hier nicht um Kommentare betteln, aber: Heut jetzt endlich mal in die Tasten!

Und es regnet doch!

0:05 Uhr – Ich sehen ihn vor mir auf dem Bühnenrand sitzen: Albert Hammond. In blauen Jeans, offenem weißem Hemd und ordentlicher Matte auf dem Kopf. Er spielt auf einer hellen Gitarre und spielt natürlich „It never rains in Southern California“. Und auch im südlichen Andalusien regnet es eigentlich nie. Außer heute. Und wenn sich die Wolken dann eben mal öffnen, dann verhält sich das hier ähnlich wie bei Albert Hammond: Es schüttet.

Heute Mittag hat es kurz gewittert und ordentlich geregnet. Kurz darauf hatte ich das Vergnügen, im Auto nach Hause zu fahren. Kreuzungen warten plötzlich nicht mehr zu erkennen, an ihrer Stelle hatte sich ein idyllischer kleiner See breit gemacht. So talentiert die Menschen hier unten vielleicht sein mögen, Wasser an die unmöglichsten und abgelegensten Orte zu bringen, so unfähig sind sie offenbar, Wasser von den offensichtlichsten und zentralsten Stellen wegzubringen. Und dann gibt es eben nach 10 Minuten Wolkenbruch auch gerne mal eine mittelgroße Überschwemmung.

Aber das ist alle nicht so schlimm. Es hat schon wieder aufgehört und morgen soll die Sonne wieder scheinen. Schließlich will ich ja die nächsten vier Wochen noch den Wetterneid auf mich ziehen.

Ein besetztes Bad

0:31 Uhr – Leute, Leute, Leute. Ich musste eben noch einen Film anschauen, darum ist es etwas später geworden. Ein eigentlich recht empfehlenswerter norwegischer Film mit dem Titel „ich reise alleine“ war das. Keine zu leichte, keine zu schwere Kost. Ein ideales Abendmenü. Da ich noch keine Lust auf Schlafen hab, beglücke ich euch noch mit einem Wörtchen zum Tag. Kleine Erzählungen vom vergangenen Wochenende oder so. Und los.

Am Freitag war ich in Cádiz, um einen Ausflugstipp über das Stadtviertel Santa Maria zu schreiben. Dort hat angeblich der Flamenco seinen Ursprung. Am Abend war ich dann auch tatsächlich auf einer Flamenco-Veranstaltung. Ganz klassisch mit Gitarre, Klatschen, Gesang und Tänzerin. Das hat mir eigentlich recht gut gefallen, ab und an wurde der Gesang allerdings etwas zu klagelastig. Da Cádiz quasi eine Insel ist, ist es auch wirklich schön, dass man vollkommen planlos durch die Gassen der Altstadt latschen kann: irgendwann steht man immer wieder am Meer.
Überraschend beeindruckend war der Blick auf Afrika. Auf dem Weg nach Cádiz kann man nämlich plötzlich im Meer ziemlich deutlich ziemlich viele Berge erkennen. Das ist ja an sich nicht besonders beeindruckend. Der Gedanke, dass dort ein anderer Kontinent, ja, fast eine andere Welt anfängt, hat mich dann zu meiner eigenen Verwunderung doch kurz gefesselt. Bald werde ich auch mal einen Fuß auf diesen anderen Kontinent setzen.

Da meine Mitbewohnerin noch immer das Bad blockiert, erzähl ich halt auch noch vom Samstag.

Es stand mal wieder Fußball auf dem Programm. Und zwar ein Freundschaftsspiel zwischen der Fortuna aus Düsseldorf und den Grasshoppern aus Zürich. Spielstätte war die selbe, an der ich schon unzählige Male den Hamburger SV beobachten durfte (und offenbar ausreichend vom Trainieren abgelenkt habe). Allerdings ging es bei diesen beiden Mannschaften doch sehr viel ruhiger zu, fast ganz ohne Medienrummel.

Ihr ahnt es schon: Er packt den Sonntag auch noch aus.

Ganz genau. Am Sonntag war ich in Málaga. Dort habe ich meine Schreibtisch-Gegenübersitzerin Julia besucht. Zwar hat Málaga einen gewissen Charme, aber wirklich viele Sehenswürdigkeiten gibt es dann doch nicht. So konnten wir ohne schlechtes Gewissen stundenlang im fünfzehnten Stock auf der Dachterrasse eines Hotels am Pool verweilen und bei Bier mit Zitronen-Fanta auf die Dächer der Hafenstadt hinabblicken.

Noch immer läuft Wasser.

Heute war dann mal wieder ein Bürotag. Ein Text über das Fußballspiel und erste Arbeiten am Ausflugstipp über das Flamenco-Viertel. Leider fehlt an meinem Schreibtisch eine Vorrichtung, um die vom Wochenende geschundenen Beine hochzulegen.

Aber jetzt.