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Lieber Herr Boenke,

bevor ich das 6. Kapitel Ihres Oberschwaben-Krimis „Gott’sacker“ aufschlagen, möchte ich Ihnen noch ein paar Zeilen schreiben.

Vorweg: mit Regional-Krimis habe ich eigentlich noch nie gute Erfahrungen gemacht. Eine Ausnahme sind dabei die Kluftinger-Krimis aus dem Allgäu, die, so empfinde ich es, diesen Markt für regionale Geschichten auch erst geöffnet haben. Alles was allerdings nachkam, egal ob ebenfalls aus dem Allgäu, aus Schwaben, Franken oder von der Ostsee, kann leider nicht mithalten. Auch die ersten fünf Kapitel Ihres Krimis aus dem Jahr 2010 nicht.

Nach fünf Kapiteln soll man aber noch nicht über ein ganzes Buch urteilen. Allerdings drängt sich mir schon seit den ersten Seiten ein Verdacht auf: Kann es sein, dass Sie versucht haben, in diesem Buch die erfolgreichsten belletristischen Ansätze der letzten Jahre zu vereinen? Das Kluftinger-Trittbrett habe ich bereits erwähnt, aber damit nicht genug. Das Buch beginnt mit einer Leiche, die massenhaft Fliegen anzieht und aus der eine ganze Armada von Maden herauskriecht. Spannende Idee. Leider haben Sie entweder nicht den Mut oder nicht das Rüstzeug, dieses Szenario so detailliert zu beschreiben wie Ihr offensichtliches Vorbild Simon Beckett in seiner Reihe um den forensischen Anthropologen David Hunter. Dass Ihr Mörder seine Opfer an einem metallenen Kreuz ausrichtet, lässt mich vermuten, dass Ihnen auch der amerikanische Autor Dan Brown geläufig sein dürfte. Er hat (religiöse) Symbolik in seinen Thrillern wie Sakrileg ja bekanntlich recht erfolgreich thematisiert. Ihre Hauptfigur Daniel Bönle, ein nicht mehr ganz junger, studierter Taugenichts, der in seinem Elternhaus lebt, sein Erbe für Bier und Motorräder ausgibt und jungen Blondinen nachsteigt, drängt sich mir bisher nicht als besonders spannender Charakter heraus. Hier eine Nähe zu erfolgreichen weil eigentlich durchschnittlichen und langweiligen Charakteren aus diversen Männer-Unterhaltungs-Romanen (Vollidiot, Resturlaub, Hummeldumm, Linksaufsteher…) zu unterstellen, wäre bestimmt etwas weit hergeholt.

Insgesamt aber eine interessante Mischung. Und wie heißt es so schön: Man muss das Rad ja nicht jedes Mal neu erfinden. Ich bin gespannt, welches Bestseller-Element mir in Kapitel 7 über den Weg läuft. Etwas mehr Verhüllung wäre allerdings angebracht, in Zeiten, in denen ehemalige Bundesminister wegen Plagiatsvorwürfen des Landes verwiesen werden.

Einen Punkt noch zum Schluss: Nicht nur an der Stelle mit der verwesenden Leiche würde ich mir etwas mehr Liebe zum Detail wünschen. Auf Seite 33 schreiben Sie beispielsweise von Häusern, die im „Stil der 50er-Jahre erbaut waren“. Mit diesem Satz laden Sie sich ja gewissermaßen selbst zu einer näheren Beschreibung der Wohngegend ein. Nutzen Sie die Macht der Worte, Bilder zu erzeugen. „Häuser im Stil der 50er-Jahre“ löst zumindest bei mir kein Bild aus. Nachhilfe gibt Ihnen sicherlich gerne Jan Weiler. Er ist ein wahrer Experte im beschreiben von Reiheneckhäusern.

Aber, lieber Herr Boenke, nichts für ungut. Ich freue mich jetzt auf die den Fortgang Ihres Krimis. Vielleicht kann er mich ja sogar soweit überzeugen, dass ich mir im Anschluss sofort Ihre anderen Oberschwaben Krimis kaufe. Dass es noch andere gibt, ist ja immerhin ein sehr gutes Zeichen dafür, dass Ihr Konzept aufgeht.

Mit den besten Grüßen
Ihr Leser
Simon Fehr

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