Der Erfolg gibt ihm recht.

Bei der Brauerei Härle steht das Bekenntnis zu Heimat und Natur im Vordergrund. Nicht Wenige im württembergischen Allgäu schimpften Geschäftsführer Gottfried Härle deshalb jahrelang einen grünen Dickkopf. Aber sein Erfolg gibt ihm recht: Nicht erst seit sein Bier als erstes überhaupt mit dem baden-württembergischen Bio-Siegel ausgezeichnet wurde, gilt er als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.

Seine Bierkessel heizt er mit Holzhackschnitzeln, der Fuhrpark fährt mit Biodiesel und auf dem Dach sind Photovoltaik-Anlagen montiert: Wenn Gottfried Härle sein Bier braut, belastet das das Klima nicht. „100% klimaneutral gebraut“ steht darum auch auf jeder einzelnen Flasche Härle Bier. Klimaneutrales Bier braut Härle aber nicht aus Marketinggründen, sondern aus Überzeugung. Denn „gestern Autorennen, heute Regenwald und morgen Tennis“ hält der 60-jährige nicht für glaubwürdig; glaubwürdig sei nur, „wer wirklich was macht“. Weil es seine tiefe Überzeugung ist, dass sich jeder um die Umwelt Gedanken machen „und das dann in seinem Umfeld auch umsetzen muss“, führt er seine Brauerei seit 30 Jahren nach ökologischen Prinzipien. Dass man die schwarzen Zahlen trotz grüner Ideen nicht aus den Augen verlieren darf, ist Härle klar – und er hat damit Erfolg: In den vergangenen 15 Jahren ist der Bierausstoß seiner Brauerei um zwölf Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Absatz aller Brauereien in Baden-Württemberg um über 13 Prozent. Von ehemals drei Biersorten hat Härle das Sortiment seiner Brauerei auf stolze 14 ausgebaut.

Familien-Brauerei in vierter Generation
Gottfried Härle wächst in der familieneigenen Brauerei Clemens Härle in Leutkirch im Allgäu auf, sein heutiges Büro im ersten Stock war sein Kinderzimmer. Als 17-Jährigen zieht es ihn für ein Jahr in die USA, nach dem Abitur zum Studieren nach Konstanz und München. Dort steht aber nicht Brauwesen im Vorlesungsverzeichnis – wie der Vater es gerne gesehen hätte – sondern Volkswirtschaftslehre. „Marketing und Vertrieb waren schon immer meine Neigungen“, erinnert sich Härle. Auch nach dem Studium hat er nicht die elterliche Brauerei im Kopf, sondern erst einmal die Friedensbewegung. Gegen russische Mittelstreckenraketen und den Nato-Doppelbeschluss organisiert der damals 29-Jährige im Oktober 1983 eine Menschenkette zwischen Ulm und Stuttgart, „ohne Handy und Internet. Noch nicht mal Fax gab‘s. Und ich musste dafür sorgen, dass auf den ganzen 108 Kilometern auf jedem Meter wirklich zwei Menschen stehen.“ Härle erzählt dies mit einem Leuchten in den Augen und so, als ob es letzte Woche gewesen wäre. Zufrieden streicht er sich seinen üppigen Schnauzbart zurecht.

Deutschland wird noch von Kaiser Wilhelm II. regiert, als Brauerei-Gründer Clemens Härle 1896 den Grundstein für die Leutkircher Brautradition legt. Bis heute wird in dem damals erbauten, stattlichen dreistöckigen Gebäude aus rötlichen Ziegeln das Härle Bier gebraut. 1984 steigt schließlich der Urenkel des Gründers, Gottfried Härle, als Junior-Chef in den Familienbetrieb ein. Einfach macht er sich diese Entscheidung nicht: „Ich habe lange überlegt: Macht das Sinn? Damals war ja gerade großes Brauereisterben in Deutschland.“ Seitdem entwickelt er die Brauerei „im Sinne der Tradition“ weiter, seit 20 Jahren legt er einen starken Fokus auf die Region. Während beispielsweise die Gerste früher in Frankreich gekauft wurde, stammt sie heute komplett aus Oberschwaben. Für heimische Rohstoffe zahlt Härle auch gerne mal mehr als den aktuellen Weltmarktpreis. „Das schafft Vertrauen und gibt den Bauern der Region eine nachhaltige Perspektive“, erklärt er, während er sich entspannt zurücklehnt und sich mit der Hand durchs graue, halblange Haar fährt. Verkauft wird das Härle-Bier ebenfalls ausschließlich in der Region, nämlich in einem Umkreis von 50 Kilometern um Leutkirch. Zu einer klaren Positionierung als regionales Unternehmen gehört für Härle aber auch, die Region zu unterstützen. Darum fördert er rund um Leutkirch Vereine und Veranstaltungen als Sponsor, allerdings nur, „wenn ich selbst von einem Projekt überzeugt bin.“ Oft sind das Veranstaltungen, die auch von potenziellen Härle-Trinkern besucht werden, denn schließlich soll durch das Sponsoring auch die Zielgruppe erreicht werden: „Darum unterstützen wir zum Beispiel junge Alternativkultur, Festivals oder Studentenlokale.“

Kritische Stimme der Bürger
Auch abseits von Bier und Sponsoring engagiert sich Härle sehr für seine Heimat – und zwar in der Kommunalpolitik. Vor 25 Jahren gründete er die Leutkircher Liste als eine offene Liste für grüne Ideen. Seitdem sitzt er im Gemeinderat, auch weil er sich als örtlicher Unternehmer dazu verpflichtet fühlt. Bei den Leutkirchern kommt seine verwaltungskritische, oft eigenwillige, aber immer konstruktive Art an: Bei den Kommunalwahlen im Mai 2014 machen sie ihn zum Stimmenkönig; er erhält mit Abstand die meisten Stimmen aller Kandidaten. Härles politischer Weggefährte Burkhard Zorn, ein Leutkircher Spielwarenhändler, schätzt an seinem Fraktionsvorsitzenden dessen rhetorisches Geschick, den „gesunden Humor“ und „dass Gottfried mit seinem Intellekt den Faden immer unglaublich schnell aufnehmen kann.“ Allerdings verschweigt Zorn auch nicht, dass der Umgang mit Härle „ein bisschen schwierig“ werden könne, „wenn man anderer Meinung ist als er. Wenn’s mal nicht nach seinem Kopf geht.“ Schmunzeln kann Zorn dagegen über die modischen Marotten seines Parteifreundes: das obligatorische Cord-Sakko und die knallroten Socken, für die Härle stadtbekannt ist. Diese sind sein Markenzeichen, seit er als 15-Jähriger von seiner Großmutter ein Paar geschenkt bekommen hat. Konsequent wie er ist, hat er seit 45 Jahren keine andersfarbigen Socken mehr getragen. Einen politischen oder philosophischen Hintergrund der Farbwahl bestreitet Härle; er fügt aber spitzbübisch hinzu, dass es auf jeden Fall geschickt sei, „denn die Verwandtschaft weiß immer, was sie mir zu Weihnachten und zum Geburtstag schenken kann.“

Vorreiter und Preisträger
Neben der Region fühlt sich Gottfried Härle auch für die Umwelt verantwortlich, vor allem als Unternehmer. Die ersten grünen Ideen trägt er in den 90er-Jahren in die Brauerei hinein, zum Beispiel mit einer öffentlichen Ökobilanz, die zeigt, wie hoch der Wasserverbrauch der Firma ist oder wie viel Chlor die Reinigungsmittel enthalten. „Das hat damals für viel Kopfschütteln gesorgt“, sagt der Branchenpionier heute. 1998 stellt er seinen Fuhrpark auf Biodiesel um – die alteingesessenen Fahrer sind äußerst skeptisch, „aber es ist keiner liegengeblieben.“ Seit einigen Jahren verbrennt der gertenschlanke Firmenchef lieber Holzhackschnitzel aus der Region als jährlich 120.000 Liter Heizöl. Dazu war eine Investition von rund einer Million Euro nötig, „das amortisiert sich natürlich nicht schnell mal in fünf Jahren.“ Sein Umweltengagement ist für Härle aber nicht nur eine Herzensangelegenheit und gute Werbung, es bringt ihm auch zahlreiche Preise ein. Gerahmte Urkunden schmücken die weiße Wand des kleinen Besprechungsraums im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes, darunter der Deutsche Solarpreis, der Nachhaltigkeitspreis der Ethik-Bank und der Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg. 2010 wählt außerdem die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis die Brauerei Härle unter die Top 3 der nachhaltigsten Unternehmen Deutschlands. Die Jury lobt Gottfried Härle als „engagierten und authentischen Familienunternehmer, der nachhaltige Unternehmensführung in seiner Brauerei lebt und verkörpert“.

Selbstverständlich spielen Naturschutz und Region auch in Härles Privatleben eine wichtige Rolle, er könne sich ja schließlich nicht spalten: „Darum versuche ich auch privat möglichst Produkte aus der Region einzukaufen. Das geht hier in der Ecke ja ganz gut.“ Dann schmunzelt Härle aber plötzlich, fährt sich abermals mit der rechten Hand durchs mittlerweile ziemlich zerzauste Haar und bekennt, dass selbst er trotz allem „kein Umweltengel“ sei: „Ich fahre Auto und fliege mit meiner Frau auch mal in den Urlaub.“ Am liebsten heben die beiden in Richtung Griechenland ab, um Strand und Kultur zu genießen. 37 griechische Inseln haben sie schon besucht, „alle 160 schaffen wir wohl nicht, aber ein paar sind schon noch geplant.“ Gerne ist Härle aber auch mit seinem Hund rund um seinen Wohnort Herlazhofen, einem Dorf bei Leutkirch, an der frischen Luft oder mit seiner Frau beim Wandern im württembergischen Allgäu unterwegs. Wenn es die Zeit zulässt. Schließlich ist er mit seinem bürgerlichen Engagement und seiner Brauerei meist eingespannt. Nur daheim zu sitzen ist für Härle aber trotz näher rückendem Rentenalter ohnehin kein Ziel: „Nur Rasenmähen, Gartenzaun streichen und den Keller fünf Mal putzen, das ist nichts für mich. Darum bin ich ja auch Unternehmer geworden und nicht Beamter.“

 

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4 Gedanken zu „Der Erfolg gibt ihm recht.

  1. cool.
    en auszug aus deiner arbeit?
    schickes bild 🙂

    zwei punkte noch:
    1. er verkauft sein bier (seezüngle sowieso) auch in tübingen und freiburg (über 50 km)
    2. das anwesen gehörte früher der mohren-brauerei (https://www.haerle.de/10.html), er legte somit genaugenommen nicht den grundstein für die brautradition in leutkirch, sondern lediglich für das neue gebäude 😉

    trotzdem lässig
    grüße aus LA

  2. 1. Offiziell macht er das nicht (Seezüngle schon), aber Ausnahmen bestätigen wohl die Regel (wenn’s wer unbedingt will…). Glück für die Freiburger und Tübinger würd ich mal sagen.
    2. Alter Korinthenkacker. Dieses unwichtige Detail hab ich zur allgemeinen Versändlichkeit des Textes ausgespart. Hat ja nicht jeder schon zig Brauereiführungen beim Härle mitgemacht. Aber Danke fürs Nachrecherchieren 😉

    1. 😀

      die führungen liegen an herrn beinker (jedes jahr eine = 2 kästen für umme)

      wann probieren wir das nächstemal ein härlebier? 7.11?

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